Günther LoewitSchriftsteller
Blog

COVID-19/VIII

15. Februar 2021

 Wie viele Menschenleben ist eine Wirtschaftskrise wert?

 

Vorweg: Die Existenz des SARS-CoV-2 Virus, seine überdurchschnittliche Infektiosität und die Gefährlichkeit des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS), sowie die COVID-19 Pandemie sind unbestrittene Realität!

Trotzdem müssen Fragen und differenzierte Betrachtungen erlaubt sein.

Über den Wert eines Menschenlebens ist im Verlauf der Menschheitsgeschichte schon viel nachgedacht worden. Ohne dass es je ein konkretes Ergebnis gegeben hätte. Was ist ein Menschenleben überhaupt? Beginnt es mit der Zeugung oder erst bei der Geburt? Umfasst der Begriff Menschenleben neben dem Aspekt der Lebensdauer auch den der Lebensqualität? Endet ein Leben mit dem letzten Atemzug oder erst beim Auftreten sicherer Todeszeichen? Welchen Wert hat ein gesundes Kind im Vergleich zu einem hochbetagten beatmeten COVID-Patienten auf der Intensivstation? Sinkt der Wert eines Menschenlebens in Anbetracht der Überbevölkerung unseres Planeten?  Oder machen rückläufige Fertilitätsraten in der westlichen Welt das individuelle Leben noch kostbarer? Ist ein Mensch, der um den Betrag von 25.000 € künstlich gezeugt wird a priori mehr wert, als ein auf natürlichem Weg gezeugter Mensch? Erhöht die Verabreichung einer 5.000 € teuren Injektionslösung oder eine Organtransplantation zum Preis von 20.000 € den Wert des behandelten Individuums um die jeweilige Summe? Fest steht, dass es neben einem fiktiven Wert auch um Würde und Freiheit des Lebens geht.

Im März 2020 formuliert der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer dramatischen Rede, dass COVID-19 die „größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“ darstellt. Weltweit sprechen Politiker davon Leben zu retten. Meines Wissens ist noch kein Menschenleben dauerhaft gerettet worden. Die Medizin kann Leben maximal verlängern und die Qualität bisweilen verbessern.

Zur Orientierung: Je nach Zählweise haben im Zweiten Weltkrieg 65 -80 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Bis Mitte Januar sind weltweit ca. 2 Millionen Menschen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 verstorben. Beachten Sie bitte, dass sich im Gegensatz zu den Weltkriegstoten überwiegend multimorbide und betagte Patienten unter den Opfern finden. Was den Verlust von Menschenleben anbelangt, müsste die Pandemie demnach an die 40 Jahre dauern, um den Vergleich des Bundeskanzlers zu rechtfertigen.

Weltweit versterben Tag für Tag ohnehin zirka 141.000 Menschen, allein in Deutschland beendet der Tod durchschnittlich 2.570 Leben pro Tag, in Österreich waren es 2019 229 Menschen pro Tag.

Im Zusammenhang mit der „Honkong-Grippe“ von 1967-1969 wurde für Deutschland eine Übersterblichkeit von 40.000, für Österreich entsprechend ca.4.000 errechnet. Warum niemand an diese Pandemie erinnert, bleibt mir ein Rätsel.

Zur Annäherung an die Fragestellung muss auch über den Begriff der Wirtschaft nachgedacht werden. Wäre menschliches Leben ohne Ökonomie überhaupt denkbar? Konsequent zu Ende gedacht ist ein medizinisch voll funktionsfähiger „gesunder“ Körper zwar lebens-, aber nicht überlebensfähig. Für das Überleben von Tag zu Tag ist eine ökonomisch und ökologisch passende Umwelt notwendig. Bereits intrauterin läuft ohne Nabelschnur und Plazenta gar nichts. Der moderne Mensch könnte ohne Produktion von Gütern sowie deren Verteilung im Handel nur befristet überleben. Wirtschaft ist ein unabdingbarer Teil des menschlichen Lebens. Ohne Produktion und Handel von Lebensmitteln bricht schon der Gedanke an Überleben in sich zusammen. Die durch den „Großen Sprung nach vorn“ ausgelöste Hungersnot im China Mao Zedong’s kostete zwischen 1958 und 1962 mindestens 40 Millionen Menschen vorzeitig das Leben. Ohne Virus. Nur ohne Nahrung. Kein Mensch hat übrigens die Verhungerten Tag für Tag auf die Kommastelle genau gezählt und das Ergebnis der Recherche tagtäglich publiziert.

Bleiben wir aber beim Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg. Reihenweise werden in den letzten Kriegsjahren Menschen wegen eines halben Kilo Brot’s getötet. Da muten die Bekenntnisse der heutigen Politiker über den Wert des Lebens schon fortschrittlich an. Von der Medizin hören Volksvertreter und Bevölkerung seit Jahren, dass in einer perfekten medizinischen Welt fast niemand mehr sterben müsste. Stichwort: „Für die Gesundheit darf uns nichts zu teuer sein.“ Der schleichende Untergang der Religion macht einen noch nie dagewesenen Stellenwert für die Medizin und ihre Heilsversprechungen frei. Es gibt kein Jenseits mehr. Der menschliche Körper wird zum Kultobjekt. Leben wird um jeden Preis verlängert, das Sterben in die Länge gezogen. 2020 darf niemand mehr sterben. Auch wenn durch den dafür notwendigen Shutdown das Wirtschafts- und Sozialleben in manchen Bereichen zum Erliegen kommt.

Eine zerstörte Wirtschaft bedeutet aber auch Tod. Den Tod von Sicherheit und Zuversicht, von Freude, stabilen Verhältnissen und psychischer Gesundheit. Bis zum Beginn der Coronapandemie wird die WHO nicht müde, Armut als krankheitsbegünstigenden Faktor anzuprangern. Das scheint für lockdown-bedingt arbeitslos gewordene Menschen nicht mehr zu gelten. Coronabedingte Scheidungskinder, zerstörte Existenzen, an Vereinsamung und Verwahrlosung verstorbene Altersheimbewohner, Depressionen, Suizide und Panikattacken werden in keiner Statistik erfasst.  

Wie besessen werden nur noch positive und negative Coronatests gezählt und die Zahlen monoman in verschiedenste Spekulationen eingebaut. Lediglich über die Existenz von gewaltigen Dunkelziffern sind sich alle Wissenschaftler einig.

Indem Arztpraxen und Krankenhausambulanzen zu todbringenden Hotspots erklärt werden, bleiben Menschen mit schweren Erkrankungen aus Angst vor einer SARS-CoV-2 Infektion zu Hause und sterben vorzeitig zum Beispiel an unbehandelten Herzinfarkten oder zu spät diagnostizierten Karzinomen. Diese Fälle bleiben unsichtbar, weil sie weder getestet noch gezählt werden.

Wie viele Menschenleben hätte die Gesellschaft im Frühjahr 2020 also opfern müssen, um den Lockdown vermeiden zu können? Und wie viele Todesfälle hat der Lockdown selbst bedingt? Weder das RKI (Robert Koch Institut) noch die vielzitierte JHU werden uns eine klare Antwort auf diese Frage geben. Es gibt keinen Rachenabstrich zur Erfassung von nicht durchgeführten Rehabilitationen und unterbrochenen Chemotherapien. Geschweige denn, dass derart vorzeitig verstorbene multimorbide Patienten in die medial verbreiteten Coronagleichungen miteinbezogen würden.

Alle bisher getroffenen Maßnahmen sind obendrein immer noch nicht in der Lage, infizierte Menschen rechtzeitig zu identifizieren und erfolgreich abzusondern. Mit jedem neuen positiven Testergebnis wird Angst und Panik geschürt und aufrecht erhalten.

Der für jeden Erdbewohner ständig vorhandne zig-fache atomare Overkill erscheint dagegen nicht der Rede wert. Er ist zumindest medial nicht präsent. Es wird auch keine Impfung dagegen geben.

Schützen wir also ältere und vorerkrankte Menschen. Oder bieten wir ihnen diesen Schutz zumindest an. Denn es muss eine freie persönliche Entscheidung bleiben, welches Risiko der einzelne mündige Mensch in Kauf nimmt. Über den unbestrittenen Nutzen von Abstand, Maske, Hygiene u.s.w muss nicht diskutiert werden, aber nicht jeder Wissenschaftler, der die Gefährlichkeit des neuen Virus oder die Sinnhaftigkeit der getroffenen Maßnahmen zu relativieren oder in einem differenzierten Kontext zu sehen versucht, ist ein Verschwörungstheoretiker! Ohne Leben keine Wirtschaft, ohne Wirtschaft kein Leben, und vor Angst gestorben ist auch gestorben. Leben wir also mit Vorsicht und Rücksicht einfach weiter!