Günther LoewitSchriftsteller
Blog

COVID-19 IX

01. April 2021

 Gibt es auch zweitbeste Lösungen?

Offensichtlich mutiert SARS-CoV-2 schneller, als die Politik westlicher Länder das erlaubt. Schon lange steckt die sogenannte erste Welt in selbst erfundenen und implementierten Normen, Denkweisen und Standards fest.

Das Virus hingegen ist frei von gesellschaftlichen Zwängen.

Das soziale Leben in Österreich hängt z.Z. von der Zahl der verfügbaren Intensivbetten ab. Dabei vernachlässigen wir in dieser Betrachtung die Tatsache, dass immer mehr Krankenhauspersonal abhanden kommt, weil es dem psychischen Druck am Arbeitsplatz nicht mehr gewachsen ist. Ein Intensivbett ohne Personal ist aber nur noch eine nutzlose statistische Größe.

Politiker werden nicht müde, vor dem Schreckgespenst Triage zu warnen. Virologen warnen, Mathematiker warnen, und Statistiker sehen den exponentiellen Untergang der Menschheit voraus.

Auch wenn ich allen Denkweisen etwas abgewinnen kann, vermisse ich Diskurs und Reflexion.

Sehen wir die Dinge nüchtern:

Politiker wollen wiedergewählt werden. Virologen wollen das Erlernte in der Realität umsetzten. Mathematiker und Statistiker haben das Bedürfnis, die Effizienz ihrer Wissenschaft unter Beweis zu stellen.

Der Mensch hingegen ist ein soziales Wesen, das nicht ewig von körperlicher Wärme, familiärer Nähe und sozialen Kontakten abgeschnitten werden kann, ohne dabei zugrunde zu gehen.

Ein Vorschlag:

Lernen wir wieder, statt dem Streben nach unerreichbarem „state of the art“ mit Kompromissen zu leben. Hinterfragen wir in einer breit angelegten, respektvoll geführten Diskussion, ob es wirklich notwendig ist, das jeder Mensch am Ende seines Lebens in einem Intensivbett beatmet können werden muss? Müssen wir uns wirklich durch selbst auferlegte Zwänge lähmen? Beginnen wir doch wieder einmal vorsichtig zu überlegen, ob der Tod nicht letztlich doch einen existenziellen Teil des Lebens darstellt?

Wenn wir nicht mehr alle betroffenen COVID-19 Patienten am Bauch liegend beatmen können, so könnten wir ihnen als zweitbeste Lösung doch eine liebevolle und medizinisch würdevolle Therapie anbieten. 

Könnten wir als Gesellschaft nicht vorübergehend Grautöne zulassen, statt in monomanem Schwarz-Weiß-Denken verhaftet zu bleiben?

Dann könnten wir doch den öffentlichen Angst-Spiegel senken und in Respekt miteinander weiterleben.