Günther LoewitSchriftsteller
Blog

Migration

16. Jänner 2016

Migration


Ein Blick auf den Lauf der Geschichte zeigt, dass Migration so alt ist, wie die Menschheit selbst. Alleine schon die frühmenschliche Suche nach idealen Lebensbedingungen (Jagdgründe, Weideflächen) bedeutete ständige Migration. Sesshaftigkeit und Urbanisierung sind aus historischer Sicht eine eher späte menschliche Angewohnheit.
In hoch entwickelten, materiell gesättigten Gesellschaften steht die Erfüllung von eigenen Lebenswünschen und Lebensentwürfen im Vordergrund. Denn es ist nicht mehr notwendig, die gesamte Lebensarbeitskraft für das eigene Überleben zu investieren. Die Gründung einer Familie bietet nicht mehr länger Sicherheit, Ziel und Inhalt, sondern legt - ganz im Gegenteil - die Ausrichtung des eigenen Lebensentwurfes theoretisch auf mehrere Jahrzehnte fest, und wird daher sehr oft als individuelle Einschränkung empfunden.
Damit wirkt sich das gesellschaftspolitische Ziel „ Wohlstand und Erhöhung der Lebensqualität" negativ auf die Fertilität einer Gesellschaft aus.
Die Ströme von Migration sind seit jeher prinzipiell von Gebieten mit schlechteren Lebensvoraussetzungen in Gebiete, die eine bessere Lebensgrundlage erwarten lassen, gerichtet. Auch das ist ein physikalisches Prinzip.
Im Umkehrschluss dieser Überlegungen wird auch klar, dass damit Wohlstand und hohe Lebensqualität in einem bestimmten geographischen Gebiet automatisch eine hohe Attraktivität für Menschen aus benachteiligten und ärmeren Gebieten der Welt bedeutet.
Somit gäbe es auch einen direkten Zusammenhang von Migration in Länder mit stark erniedrigten Fertilitätsraten. Unabhängig von politischen Systemen, Krieg und Terror, oder wirtschaftlicher Lage in den Ausgangsländern einer Migrationswelle.
Der Begriff Migrationswelle ist ohnehin selbsterklärend.
Denn physikalisch gesehen ebbt eine Welle erst dann ab, wenn der Großteil ihres Volumens sein Ziel erreicht hat. Im Falle einer Wasserwelle ist das der Strand, im Falle der gegenwärtigen Migrationswelle sind das die wohlhabenden Länder Europas. Von der Beobachtung der Wellen am Strand wissen wir auch, dass eine Welle keinesfalls gestoppt, sondern allenfalls gelenkt, geleitet, oder umgeleitet werden kann.
Ein Sprichwort besagt: „Der Gast soll sich so benehmen, dass sich die Gastgeber wie zu Hause fühlen."
Unter diesen Voraussetzungen sollte die Aufnahme und Integration neuer Menschen in eine menschliche Gemeinschaft kein Problem darstellen. Ganz abgesehen davon, dass eine Gesellschaft, deren Sterbeziffern höher sind als die Geburtenziffern ohnehin auf den Zuzug neuer Arbeitskräfte angewiesen ist. Es ist außerdem zu bezweifeln, dass eine Volkswirtschaft mit ständig steigendem Anteil von hochqualifizierten Akademikern noch lange in der Lage sein wird, sich selbst handwerklich am Leben zu erhalten. Tun wir also nicht so, als wären wir von den Geschehnissen unserer Zeit völlig überrascht.
Aber auch das medizinische System steht neuen Herausforderungen gegenüber. Der zum Teil schlechte Gesundheitszustand der Migranten sowie der kulturelle Unterschied zwischen Gästen und Gastgebern stellen eine nicht unerhebliche Belastung für die Gesundheitssysteme der Aufnahmeländer dar. Pflegende und Ärzte sind mit Krankheitsbildern konfrontiert, die als schon längst überwunden gegolten haben. Das bedeutet letztlich aber auch, dass die derzeitige Migrationswelle sowohl das medizinische Aus- und Fortbildungssystem, die medizinischen Kapazitäten von Krankenanstalten, sowie die Verfügbarkeit von besonderen Medikamenten beeinflussen und verändern wird. Und fremde Ärzte aus Krisengebieten werden mit neuen medizinischen Aspekten unsere mitteleuropäische Hightech-Medizin bereichern.
Es gibt also nicht nur Grund zur Klage!