Günther LoewitSchriftsteller
Blog

Ageism

14. September 2018

Ageism


Emanzipation und BinnenI, Gendern, Intersexualität und Transgender, und jetzt Ageism, plötzlich überholen uns die Begriffe möglicher weltanschaulicher Verfehlungen rechts und links sicher geglaubter zwischenmenschlicher Pfade. Plötzlich weiß niemand mehr, wie mit dem Mitmenschen umzugehen wäre. Einzig und allein das Wort „Respekt“ verliert zunehmend seinen Platz im gemeinsamen Leben und in der öffentlichen Wahrnehmung.
Während Gesellschaften früher alte Menschen geehrt haben, weil es wenige gab, werden heute die Kinder geehrt, weil es wenige gibt. Man muss kein Hellseher sein um zu sehen, dass wenig Kinder mit vielen Alten nur schlecht zurecht kommen werden. Viele Kinder hatten hingegen mit wenigen alten Menschen keine Schwierigkeiten. Das beginnt bei den Pensionen und reicht bis zur Pflege.
Diskriminierend ist auf jeden Fall, wenn Kindern jeder Stolperstein aus dem Weg geräumt wird und sie der Möglichkeit beraubt werden, Frustrationstoleranz zu erlernen. Weil ihnen die verweigerte Auseinandersetzung mit Grenzen und Wirklichkeit die Möglichkeit auf Lebenstüchtigkeit nimmt. Oder ist das Wort tüchtig auch schon anrüchig?
Für Medizin und Pharmaindustrie sind alte Menschen ein Segen. Man muss nur das Alter an sich zur Krankheit erklären und schon eröffnet sich das größte Betätigungsfeld, das die Medizin je hatte. Mit jedem neu dazu gewonnenen statistischen Lebensjahr explodieren zusätzliche Diagnosen und deren Therapiekosten. Wenn die letzten Lebensmonate im Gesundheitssystem gleich hohe Kosten verursachen wie das ganze Leben zuvor, so spricht das eine eindeutige Sprache.
Ja, alte Menschen werden diskriminiert.
Weil sie nicht alt werden dürfen. Und weil sie am Ende ihres Lebens nicht sterben dürfen. Weil es würdelos ist, wenn 86-jährige Patienten am Tag ihres Todes noch eine letzte Chemotherapie verabreicht bekommen. Um die Angehörigen zu beruhigen, oder weil die Medizin tatsächlich glaubt, der Unsterblichkeit des Menschen schon nahe gekommen zu sein.
Viele alte Menschen leben trotz der medikamentösen Polypragmasie, aber nicht wegen ihr.
Hören wir also den alten Menschen wieder zu, und fragen Sie nach Ihren Bedürfnissen. Kommen wir als Gesellschaft doch wieder zur Besinnung und erziehen wir junge Menschen zu lebensfähigen Individuen damit es wieder ein gesundes Gleichgewicht zwischen Alt und Jung gibt.